Igniv ist rätoromanisch und bedeutet «Nest». IGNIV nennt der Bündner Starkoch Andreas Caminada sein Restaurant in Bad Ragaz. Und setzt seine Ehre aufs Spiel, indem er von Jüngling Silvio Germann ein neues Gourmet-Erlebnis testen lässt: Das Teilen vieler kleiner Portionen. Kann das gut kommen?
«Sharing is caring» liegt vor allem bei der jüngeren Generation im Trend. Nun, ich gehöre zu den etwas älteren Semestern, die nicht bedingungslos alles gern teilen – schon gar nicht ein Gourmet-Essen! Aber Walter möchte sich dieses neue Konzept nicht entgehen lassen. Schliesslich soll die Fine Dining Sharing Experience ein bewusstes, gemeinsames Esserlebnis fördern. Na dann… !
Die Anreise nach Bad Ragaz ist ja für sich schon recht reizvoll – wenn die Ferienregion nicht gerade im Nieselregen ergraut. Wir eilen ohne Schirm vom Parkplatz in die Räumlichkeiten der vormaligen Äbtestube, dem Gourmet-Restaurant des Grand Resort Bad Ragaz. Gekennzeichnet von einem stilisierten Nest und seinem Ei hört es jetzt auf den Namen IGNIV.
Eingenistet hat Caminada hier den Jungkoch Silvio Germann, seines Zeichens GaultMillau «Entdeckung des Jahres 2017» und langjähriger Caminada Sous-Chef. Damit will Caminada wohl sicherstellen, dass nicht an seinem Renommee als Top-Koch gekratzt wird. Schliesslich kann er sich ja nicht Pantaléon, den aufsässigen Schlossgeist seines Restaurants Schloss Schauenstein vom Leib halten und gleichzeitig die Küche in Bad Ragaz beaufsichtigen…
Hier übrigens unser Bericht über den «Spuk auf Schloss Schauenstein» mit echtem(!) Schlossgeist (öffnet in neuem Fenster).
Wie dem auch sei, wir werden im IGNIV vom charmanten Restaurantleiter und Sommelier Francesco «Benvenuto» willkommen geheissen. Kann bei dem Namen überhaupt noch etwas schiefgehen? Als Italienerin hellt sich meine Stimmung schon merklich auf. Das warme Ambiente von Innendesignerin Patricia Urquiola und der schöne Tisch am Kamin tragen auch dazu bei, dass ich mich wohl fühle. Walter ist erleichtert und fängt wie verrückt an, mit seiner Kamera herumzuknipsen.
Grüsse aus der Küche: IGNIV Amuse-Bouches
Wie bei Caminada gelernt, lässt Chef Silvio Germann allerlei Grüsse ausrichten und Amuse-Bouches austeilen: Die Fine Dining Sharing Experience geht los in Form von Luftbrot mit Gazpacho, Makrele mit Kohlrabi in Teigtasche, Macaron mit Entenleber und Dörrbirne und einem Ei Royal.
Alle Häppchen kommen fein sortiert jeweils zu zweit auf ihrem Schälchen, so dass mir das Teilen überhaupt nichts ausmacht ;-)
Nicht schlecht, meine Stimmung erhellt sich noch weiter! Zumal Benvenuto jetzt in seine Rolle als Sommelier schlüpft und uns zu jedem Gang einen neuen Tropfen empfiehlt. Und einschenkt… Zur Begrüssung einen Winzerchampagner.
Update Oktober 2017: Francesco Benvenuto wurde von GaultMillau zum «Sommelier des Jahres» ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!
Vorspeisen ohne Ende
In angemessen langsamem Takt reichen die aufmerksamen Servicemitarbeiter Francis und Tobias Entenleber mit Trüffel und Brioche, Tomatensalat mit Basilikum und Stangensellerie, Rindsröllchen mit Pfifferlingen und Kartoffelchip, Saibling mit Gurke, Dill und Radieschen, Forelle mit Fenchel und Amalfi Zitrone. Die Köstlichkeiten schmecken nicht nur vorzüglich, sie machen sich auf den dekorativen Glasschalen von Nachtmann auch noch ausgezeichnet.
Walter kommt aus dem Fotografieren fast nicht heraus. Und ich fast nicht zum Essen…
Sommelier Benvenuto greift derweil zu einem Numen, einem ungefilterten Sauvignon Blanc. Sehr speziell!
Der mit kleinen Leckerbissen vollgestellte Tisch mutiert zu einem Fest für die Sinne. Ich bin so gut wie hin und weg, da erscheinen die Gastgeber mit einer «dampfenden» Glasschale und kündigen uns die IGNIV Nuggets an: Huhn vom Val Lumnezia, gepökelt während 3 Tagen und 3 Nächten! Mamma mia!
Mit wichtiger Miene wird die Glasschale schliesslich hochgezogen und theatralisch vor unserer Nase geschwenkt. Der Dampf (oder ist es Rauch?) verzieht sich schwungvoll in alle Richtungen.
Huh!? Für einen Moment glaube ich, im Dampf das Gesicht von Schlossgeist Pantaléon zu erkennen!
Hat ihn Caminada aus Schloss Schauenstein gejagt, um Zauberlehrling Germann auf die Finger zu schauen?
Oder ist es Benvenutos Weinbegleitung, die mir da einen Streich spielt? Die spektakulär inszenierten Chicken Nuggets Gourmet-Style munden jedenfalls hervorragend!
Und auch noch ein Überraschungsgang
Weil wir zum Lunch da sind und anschliessend also noch etwas Zeit zum Verdauen ansteht, lassen wir auch die zusätzlichen Surprise-Komponenten nicht aus. Serviert werden fester Zander auf Peperonata und Estragon Espuma und Schweinsravioli unter Nussbutter sowie Schweinebauch mit knuspriger Schwarte.
Kommen wir zum Hauptgang!
Wie bisher werden auf dekorativen Plättchen «Holzen» Kalbsentrecôte gereicht, Kalbscarpaccio an Kartoffelvinaigrette, Kalbsbäggli geschmort mit Radieschen, Serviettenknödel mit Steinpilzen, Bohnen und Artischocken.
Benvenuto erscheint mit einem Barbaresco von 2010. Der Saft der Nebbiolo Trauben macht sich in den eleganten Zalto Denk’Art Weingläsern hervorragend. Und langsam aber sicher auch in meinem Kopf!…
Schliessen wir wie üblich mit dem Dessert ab – oder dem Chef!
In weiterhin kristallin glänzenden Schalen bekommen wir geeiste Joghurtkugel mit Kirsche und Kirschensorbet, Schwarzwälder Macaron, Griesflammerie mit Kirschsauce, Clafoutis mit Aprikose und Vanille, Pekannuss Parfait originell getarnt als Igel und einen Mousse-Aprikose-Champagner.
Wahnsinnig! Denke ich.
Bis Silvio Germann aus der Küche kommt. Phuuaaaa! Der sieht ja noch besser aus als Caminada?!
Jetzt bin ich definitiv hin und weg! Und Walter schon wieder bemüht, mich auf den Teppich zurückzubringen…
Was soll ich da noch anderes sagen, als dass sich ein Besuch im IGNIV lohnt wie verrückt? Von wegen «ins gemachte Nest gelegt». Davon kann keine Rede sein! Die junge Truppe um Germann und Benvenuto hat sich mit Caminadas «Sharing Experience» Konzept in kürzester Zeit bereits 16 GaultMillau Punkte und einen Michelin Stern erarbeitet. Ich bin gespannt, wo das noch hinführt…
Update April 2018: Silvio Germann wird mit 17 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet! Bravo!
Die Menüpreise
Das Igniv 3-Gänge-Sharing-Erlebnis kostet CHF 148.— pro Person. Das ist nicht gerade wenig, aber preiswert!
Wer sich zusätzlich mit 3 oder 5 Surprise-Komponenten überraschen lassen will, bezahlt zusätzlich CHF 40.- beziehungsweise CHF 60.—.
Jeden Sonntagmittag gibt es übrigens auch ein 3-Gang-Sharing für Kids! Wie cool ist das denn?
Restaurantadresse
Restaurant IGNIV im Grand Resort Bad Ragaz
Bernhard-Simonstrasse
7310 Bad Ragaz
Tel +41 81 303 30 30
reservation@igniv.com
2 Kommentare
Liebe Katja, ich habe dieser Bericht genossen und die Fotos von Walter bewundert. Es ist wirklich sehr abwechslungsreiche Küche, und wunderschön angerichtet. Sogar nach dem Lesen war ich schon satt!
Die Junge Männer sehen sehr sympathisch aus….aber sooooo jung, dass ich mich gefragt habe ob sie schon volljährig seien.
Ja, die Jungs sind noch recht jung, aber sie haben schon mächtig einen drauf. Und ja, sie sind volljährig ;-)