Storytelling ist im Umfeld von Content Marketing zum Modewort geworden. Blogger und Auftraggeber sprechen davon, aber wie geht es eigentlich? Wie macht man gutes Storytelling, um die langweilige Aneinanderreihung von Fakten zu umgehen?
Als Blogger sind wir interessiert an gut geschriebenen Geschichten, die Leser packen und mit denen sie sich identifizieren, selber nachfühlen können.
Davon erhoffen wir uns Weiterempfehlungen in Form von Mund-zu-Mund Propaganda oder Facebook Likes und Shares und ähnliche weitere Empfehlungen in sozialen Netzwerken.
Das führt zu mehr Lesern und so zu einer grösseren Reichweite. Und die wiederum zu mehr Kooperationsoptionen mit Auftraggebern.
Storytelling unterstützt die einprägsame Vermittlung von Reiseinhalten, z.B. Reviews von Destinationen oder Leistungsträgern wie Hotels.
Letztlich soll dies Leser animieren, selbst solche Reisen zu buchen.
Gelingt uns das als Reiseblogger, verdienen wir uns die Reputation als „Influencer“ oder „Multiplikatoren“. Das verhilft uns zu mehr Anfragen von interessierten Destinationen.
Ein Engelkreis also, oder wie heisst ein positiver Teufelskreis?
Aber warum gerade „Storytelling“?
Geschichten erzählen ist eine Jahrtausende alte Kunst. In der Ära vor dem Fernseher oder gar der gedruckten Schrift gaben Erzähler ihr Wissen weiter, indem sie es in einprägsame Mythen, Märchen und Sagen packten.
Mit guten Helden, bösen Hexen, Happy End und einer Moral der Geschichte.
Perfektioniert hat diese Technik schliesslich Hollywood: Deren Unterhaltungsfabriken sind Experten im Storytelling! Und wie machen die das?
Grundprinzipien von Storytelling
Ich folge der Story-Struktur gemäss Joel Blom, seines Zeichens Storytelling-Berater.
Geschichten in Form der sogenannten «Heldenreise» folgen einer allgemein gültigen Struktur:
- Set the scene: Wo spielt die Geschichte?
- Enter the protagonist: Wer ist der Held, wer die Heldin?
- What’s at stake, why should I care: Worum geht es, was steht auf dem Spiel, warum sollte mich das kümmern? Tipp: Am besten geht es um Leben und Tod!
- What has changed: In der Szene muss eine gigantische Katastrophe passieren, was die Situation des Helden dramatisch ändert. No change, no story!
- Rettet sich der Held aus der misslichen Lage?
- Happy End und Call-to-Action. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch glücklich weiter… Was soll ich als Leser jetzt tun? Spenden, weiterempfehlen, buchen, kaufen?
Beim Erzählen sollte man gut darauf achten, die 3 Komponenten Handlung (Story), Details und Emotionen ausgewogen einzusetzen:
- Der Inhalt der Handlung treibt die Story weiter
- Details schmücken die Geschichte aus
- Geweckte Emotionen brennen die Story ins Gedächtnis ein, sie bleibt im Kopf hängen
Tipp: Emotionen weckt man am einfachsten über persönliche Erfahrungen und Gefühle. Blogs sind ja «persönliche» Publikationen. Deshalb fürchten wir uns regelmässig in unseren Artikeln oder es läuft uns kalt den Rücken runter ;-)
Storytelling für Reiseblogger
Reisebloggern stellen sich gleich mehrere Herausforderung bei diesem Vorgehen: Die Szene und den Protagonisten festzulegen, ist noch relativ einfach. Das wird oft der/die Blogger sein oder das Hotel/die Destination.
Dann wird es beim Festlegen, was auf dem Spiel steht (also das Verlustpotential), bereits knifflig: Schreiben wir über ein schönes Wellnesshotel, bewegen wir uns schnell mal im Bereich der Luxusprobleme.
Viel steht da nicht auf dem Spiel, warum sollte es den Leser also kümmern, wie wir die Füsse bädelen? Es geht ja um nichts? Ein Haifisch wird da ja wohl kaum reinbeissen?
Dann kommt es knüppeldick: Katastrophen treten extrem selten auf. Und wenn, möchte der Auftraggeber nicht, dass diese verbreitet werden.
Etwas MUSS an der Situation aber ändern, damit ein Spannungsbogen entstehen kann. «Aber auf einmal…» oder «Unverhofft tritt plötzlich…» leiten Wendepunkte in der Geschichte ein, die eine Dramaturgie entstehen lassen.
No change – no story.
Wir haben mit der Zeit begonnen, «künstlich» das Haar in der Suppe zu suchen, um dann mit Erleichterung von der Lösung des Problems zu schreiben ;-)
Beispielsweise gibt es bei Caminada im Schloss Schauenstein nicht wirklich einen Schlossgeist. Aber für die Konstruktion einer Story kann es hilfreich sein? Inklusive Namen? (Der Schlossgeist heisst Pantaléon!)
Namen sind das Salz in der Suppe, respektive wichtige Details. Man gebe den Protagonisten Namen!
Unsere eigene Storytelling-Technik
Nach einem Hotel- oder Restaurantbesuch ist uns selten klar, was die Story darüber werden könnte. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn eine Geschichte wird meist erst im Nachhinein klar, wenn man alle Phasen durchlebt hat.
Dann kann man den Ablauf neu so strukturieren, dass ein Spannungsbogen entsteht. Das kann der effektive chronologische Ablauf sein, allenfalls beginnt man aber auch mit dem überraschenden Ende. Dann fragt sich der geneigte Leser, wie es wohl zu dieser vertrackten Situation kam.
Für uns hat sich bewährt, alle Komponenten einer Erfahrung aufzuschreiben. Möglichst sortiert. Daraus identifizieren wir relevante Kernpunkte, an denen sich eine Story entzünden könnte.
Dann zeichnen wir den beabsichtigten Spannungsbogen: Der beginnt meist im Positiven, dann passiert etwas Negatives (Change), und dann versuchen wir die Kuh vom Eis zu bringen und im Happy End zu schliessen.
Es gelingt nicht immer, aber immer öfter…
Hier das Beispiel einer Skizze, wie wir sie für das Finden einer Story zeichnen. Je besser die Struktur und der Spannungsbogen, umso einfacher fällt danach das effektive Schreiben der Geschichte.
Wir definieren grob die gewünschte Dramaturgie, indem die Geschichte positiv oder negativ beginnt und sich dann von Wendepunkt zu Wendepunkt hangelt, um im Happy End zu schliessen. Dort sollte auch eine Call-to-Action inbegriffen sein. Eine Handlungsaufforderung, was der Leser als nächstes tun soll.
Und wenn einem gar nichts mehr einfällt, kann man ja die eigene Blogger-Ehre aufs Spiel setzen und sich selber auf die Schippe nehmen. Eine üppige Weinbegleitung kann den besoffenen Rahmen abgeben für eine Tragödie in drei Akten…
Vertiefung in Storytelling für Reiseblogger:
- Joel Blom wie er die About Us Seite unseres englischen Reiseblogs travelmemo.com umschreibt (Englischer Text) mittels Storytelling-Technik
- Khan Academy The art of storytelling – ein kostenloser Storytelling-Kurs!
- Meine Erläuterungen auf dem BlueGlass-Blog über Story/Detail/Emotion
Und nicht zuletzt: Kurt Vonnegut über Spannungskurven von weltberühmten Geschichten!
Die vielleicht bekannteste Geschichte wird jedes Jahr um die Weihnachtszeit am Fernsehen ausgestrahlt. Die spannt den Bogen im wahrsten Sinne des Wortes…
Viel Erfolg bei der Umsetzung spannender Texte!
Aber bei allem Elan für Storytelling: Nicht jeder Text ist eine Story!
Es gibt auch noch Berichte, Reportagen, Interviews, Porträts, Kommentare, Glossen und so. Nicht überall lässt sich ein Spannungsbogen erzeugen wie er beim Storytelling im Vordergrund steht.
Und ganz zuletzt: Meine bisher kürzeste Story…
Ich habe als Erster bestellt. Aber das Letzte ergattert. Die andern Gäste bekommen nur noch ein Kopfschütteln und Schulterzucken: Ausverkauft!
Dass es überhaupt eine Story ist, bemerkte ich erst später anhand der Kommentare.
Erfolgskontrolle: Habe ich überhaupt eine Story?
Nochmal gemäss Storytelling-Berater Joel Blom: Eine gute Story erfüllt 3 Bedingungen…
- Die gute Story macht Zuhörer betroffen (Ich Armer muss um 06:59 im Zug frühstücken)
- In Stories steht etwas auf dem Spiel (Ich hätte fast verhungern können?)
- Die Storyline sagt, was man als nächstes tun soll (Die Moral der Geschichte: Bei Trenitalia muss man selber für sein Frühstück vorsorgen. Der Speisewagen macht es nicht!)
… und hat 8 Story-Komponenten:
- Eingehen auf Zuhörer und ihre Situation
- Erfüllt einen Zweck. Dieser treibt den Spannungsbogen
- Glaubwürdige Protagonisten (Held oder Prinzessin, Bösewicht)
- Der Held sucht etwas (Schatzsuche der Heldenreise)
- Konfliktpotential. Drama ist die Quelle guter Geschichten!
- Allgemeingültige Lektion („und die Moral der Geschichte…“)
- Dem Leser sagen, was als nächstes zu tun ist
- Emotional befriedigendes Happy End nach einem Wechselbad der Gefühle