Es war zwar «nur» in einem Blech-Container etwas abseits der Welt in Indien, aber der Service war unglaublich gut mit Haareschneiden, Kopf- und Nackenmassage und scharfer Nassrasur. Brennt überhaupt nicht! Sowas hatte ich noch nie erlebt (aber das Gegenteil sehr wohl…).
Auf einer dreiwöchigen Rundreise durch Indiens Rajasthan ergibt es sich logischerweise, dass Mann gelegentlich rasieren muss. Da wir in erhabenen Maharadscha-Palästen absteigen, geziemt sich ein glattrasierter Auftritt. Oder ein Vollbart. Aber der ist nicht innert nützlicher Frist zu haben, also soll es die Nassrasur richten.
Der Coiffeur-«Salon»
Als wir in unwegsamem Gelände in Sawai Madhopur im Südosten Rajasthans auf Tigerpirsch sind, reihen sich Coiffeursalons nicht entlang der Bahnhofstrasse aneinander oder ähnlich, sondern stehen auf erhöhten Wellblech-Containern am Wegrand herum.
Mutig nehme ich in der ersten freien Box im Hochsitz Platz und lasse mich beraten.
Meine ich jedenfalls, denn mein Friseur ist des Englischen nicht mächtig. Dafür sein Assistent. Der ist ausschliesslich für die Übersetzung zuständig, ansonsten krümmt er mir kein Haar. Weshalb der da so bereitwillig herumsitzt und übersetzt, wird mir erst später klar…
Auf jeden Fall bedeute ich also gestenreich und in meinem gebrochenen Indisch-Englisch, dass mir die Haare zu schneiden seien. Und eine Nassrasur wäre auch noch lässig. Das versteht der Übersetzer dann sehr wohl und gibt seinerseits dem frisierenden Jüngling zu verstehen, was los ist. Der macht sich umgehend an die Arbeit und schnipselt schweigend und konzentriert an mir los.
In unserem Container versammelt sich gefühlt das halbe Dorf, als hätten sie noch nie einem Weissen, Grauhaarigen die Stoppeln gekürzt.
Nassrasur – besser als vom Barbiere
Wie dem auch sei, als einmal die Haare in Kleinstarbeit akkurat gestutzt sind, werde ich eingeseift. Ziemlich lange. Und wiederholt. Und nach einem kurzen Fuchteln mit der Klinge vor meiner Nase geht es ans Eingemachte. Aber Überraschung – es brennt überhaupt nicht! Das hatte ich bei einem Barbiere auch schon anders erlebt…
Nachdem das alles heil überstanden ist, kommt – nochmal Überraschung – eine Kopf- und Nackenmassage zur Anwendung! Dabei sind die Friseurhände gleichzeitig überall: Von der Kamera nicht einzufangen…
Die «Preisverhandlung»
Nach der wahnsinnig üppigen Behandlung steige ich zufrieden von meinem Hochsitz und frage nach dem Preis des Wunderwerks. Plötzlich sind alle super verlegen und drucksen irgendwas herum. Ich verstehe nicht und frage, jetzt auch etwas verunsichert, nochmal nach dem Preis.
Der Service hat doch bestimmt einen Preis?
Der Übersetzer will plötzlich nichts mehr sagen und lächelt nur noch verlegen herum. Und der Figaro will nicht mal meine Gesten mit der Geldrolle verstehen. Ein Preis ist ihnen partout nicht zu entlocken…
Also mache ich schlussendlich ein paar Noten locker im Gegenwert von ca. 2 Franken und frage, ob sie damit zufrieden seien. Der Übersetzer kriegt auch 50 Rappen für seine Dienste. Sie nicken überzeugend und machen die Kohle schnell weg in ihre Hosentaschen. Da alle happy scheinen, zottle ich zufrieden von dannen. Frisch rasiert und mit neuer Frisur.
Etwas Aufklärung
Die Szene scheint mir im Nachhinein dann doch etwas befremdlich und so frage ich später unseren Fahrer, was denn hier Haarschnitt und Rasur so kosten? Er meint, mit 20 Rappen oder so müsse ich schon rechnen!
AHA!
Deshalb waren da plötzlich all die Leute in unserer Coiffeur-Box! Deshalb hat der Übersetzer so viel Zeit! Und deshalb setzt es nach Haarschnitt und Rasur auch noch eine Massage ab! Und deshalb wollen sie keinen Preis nennen: So unverschämt hohe Preise würden sie nie einfordern… Aber wenn es ein Tourist hinstreckt und damit zufrieden ist, dann nimmt Mann es halt ;-)
Am Nachmittag war die Box dann jedenfalls geschlossen. Der Wochenumsatz war ja schliesslich bereits «im Kasten» …
Für Jungs, die grad in der Ecke sind:
Coiffeur-Salon an der Ranthambore Road, Sawai Madhopur, Rajasthan, Indien.
Sehr zu empfehlen, unvergesslich!