In Rumänien ist man näher dran am Leben. In diesem weiten Land gibt es noch etwas, das es sonst nirgendwo mehr gibt. An manchen Orten fühlt man sich nämlich um 50 Jahre zurückversetzt, im Süden ist die Epochenverschiebung vielleicht sogar noch grösser. Dies wird mir bewusst, während die Landschaft durchs Fenster an mir vorbeizieht.
Ich sitze im Bus. Vor, hinter und neben mir wird geplaudert, Lebensgeschichten werden ausgetauscht, Alltagssorgen gewälzt, Reiseerlebnisse erzählt, Freundschaften geknüpft. Weiter hinten geniesst man die zurückgezogene eigene Welt und gibt sich gedankenverloren.
Die Busfahrt von Bukarest ins Donaudelta
Wir sind unterwegs von Bukarest ins Donaudelta (hier geht’s zu meinem Bericht über das Donaudelta).
Unsere Busfahrt, die auf einer Beton-Autobahn startet, ist aufgrund der Verbindungsrillen sehr holprig und weckt alle vor sich Herschlummernden.
Wir fahren in Richtung Schwarzes Meer. An diesem Autobahnteilstück wurde zur Wende gebaut. Es endet beim Renault-Werk, heute Automobile Dacia. Das Ende dieser Betonstrasse ist für alle eine Erleichterung.
Auf der Fahrt in den Süden – wir haben 300 km vor uns – wird das Land platt und weit.
Es ist Herbst, die endlosen landwirtschaftlich genutzten Felder sind abgeerntet, die Farbpalette bewegt sich in den Gelb-, Braun- und Grüntönen. Und ab und zu zieht ein einsamer Traktor seine geraden Bahnen durch die fruchtbare, braune, dampfende Erde.
Entlang der Strassen wechseln sich Starkstromleitungen und Windparks ab. Wir sind in der Walachei. Der Himmel wird weit.
Die Walachei
Die Walachei liegt zwischen Transsilvanien im Norden und der Donau im Süden. Die Region wird auch die Getreidekammer Rumäniens genannt.
Vor dem 2. Weltkrieg bewirtschafteten Grossgrundbesitzer diese scheinbar endlosen Flächen. Zur Zeit des Kommunismus wurden sie enteignet. So langsam kommt die junge Generation, die im Ausland studiert hat, zurück.
Die Böden sind fruchtbar und pestizidfrei. Ökologische Landwirtschaft wird sogar durch ein Projekt von Prince of Wales Prince’s Trust gefördert.
Die scheinbare Unendlichkeit steht in keinem Vergleich zu unseren kleinen landwirtschaftlich genutzten Landflecken.
Hier fährt man grosse Strecken bis sich lose Häusergruppen zu kleinen Dörfern formieren. Die Armut ist hier greifbar.
Man fühlt sich um Jahre zurückversetzt. Und doch beeindruckt mich die Bescheidenheit dieses Volkes.
In jedem noch so kleinen Garten wachsen grosse Kohlköpfe, die Häuser sind eingefallen lottrig und klein.
Auf meine Frage, ob das die ärmste Region Rumäniens ist, zuckt unser Reiseleiter Paul die Schulter und sagt: «Weisst du, sind die Häuser klein. Ja. So. Hast Du nicht viel, ja. Aber hast Du warm im Winter. So.»
Anderntags fahren wir weitere 390 km auf dem Weg in die Karpaten. Die Landschaft verändert sich, der Verkehr nimmt zu. Die Häuser werden grösser und gepflegter. Es ist Wochenende.
Wir sind auf dem Weg nach Predeal, eine Kleinstadt in Siebenbürgen. Es ist die höchst gelegene Stadt Rumäniens.
Die letzten Kilometer bis Predeal stehen wir im Stau. Unser Fahrer behält die Ruhe.
Wie bereits am Vortag werden wir direkt zum Haupteingang des Hotels gefahren. Man dankt es ihm, sind doch einige der Mitreisenden nicht mehr gut zu Fuss. Ihnen schenkt der immer aufmerksame und hilfsbereite Fahrer besonderes Augenmerk.
Ich würde mir gerne ab und zu die Füsse vertreten, bin es nicht gewohnt, werde unruhig. Ich bin noch nicht so weit, die Annehmlichkeiten einer geführten Rundreise in Anspruch zu nehmen.
Und doch komme ich so an Orte, die ich im Leben nie erreichen würde. Viele meiner Reisekumpanen sind erfahrene Busreisende. Sie erzählen mir von ihren Reiseerlebnissen und manche schmieden bereits neue Reiseideen.
So eine Reise in der Gruppe hat in einigen Momenten etwas von Klassenlager.
Kurze Versorgungs- und Pinkelpausen an Tankstellen im Nirgendwo sind mir ein Graus: Die Vorstellung, auf einer Raststätte vergessen zu werden, ist mein grösster Albtraum.
Erst am zweitletzten Tag, in einer ganz anderen Landschaft, komme ich auf die glorreiche Idee, mitten im Gang zwischen den Reihen auf dem Boden zu hocken und die Strasse aus der Perspektive des Chauffeurs einzufangen.
Unserem Fahrer ist dies höchst unangenehm. Er kann es kaum aushalten, dass da neben ihm eine Frau auf dem Boden hockt.
Ich versuche zu erklären, was das für mich für ein unbeschreibliches Erlebnis sei, gebe dann aber nach ein paar Stunden auf. Man dankt es mir.
Auch Mitreisende sorgen sich über meine Sicherheit. Ja, vermutlich wäre ich bei einer Vollbremsung durch die Vorderscheibe geflogen. Die Perspektivenänderung war mir das Risiko aber wert.
Geführte Busrundreisen in Rumänien
ITS Coop Travel hat geführte Busrundreisen durch Rumänien im Angebot, wie zum Beispiel die Rundreise «Siebenbürgen und die Höhen der Maramuresch».
Mein Dank geht an…
Diese Reise wurde durch ITS Coop TRAVEL ermöglicht und von primcom Zürich organisiert.
Herzlichen Dank für diese eindrückliche Busfahrt!