Wer von Chur nach Valbella oder in die Lenzerheide unterwegs ist, fährt beim Ortseingang Parpan rechterhand an einem unscheinbaren, älteren Haus vorbei. Einem Haus mit 40 Tonnen Bündnerfleisch!
Wer sich genau achtet, wird die oft offenen Fenster im Obergeschoss bemerken.
Und wer noch genauer späht, erkennt hinter den Fliegengittern die in Reih und Glied hängenden Fleischstücke. Das Bindenfleisch stammt von den Muskelstücken des Stotzens der Kuh oder vom Schwein (Oberschenkelmuskulatur).
Seit 4 Generationen hängen die Brüggers hier die besten Fleischstücke — vom Rind, von der Kuh oder von der Sau — zum Trocknen auf, nachdem sie von Sehnen und Fett befreit und mit Salz und Gewürzen gepökelt wurden.
Je nach Grösse hängt das von essbarem Edelschimmel befallene Rindfleisch ca. 3 bis 6 Monate auf dem gedeckten Balkon oder im Giebel des Hauses.
Dazwischen wird es immer wieder gepresst, um die Flüssigkeit regelmässig zu entziehen. Über den ganzen Prozess verliert das Fleisch über 50% seines Gewichts! Das macht den Verkaufspreis relativ teuer, denn Brügger hatte ja die doppelte Menge Fleisch eingekauft…
Schliesslich verleiht das wiederholte Pressen die charakteristische, rechteckige oder quadratische Form und die rote Farbe von typischem Bündnerfleisch.
Nur wenn es diese Form hat und im Bündnerland getrocknet wurde, darf es sich überhaupt als «Bündnerfleisch» bezeichnen. Der Begriff ist eine eingetragene Marke des Kantons Graubünden (GGA: Geschützte, geographische Angabe).
Eindrucksvoll gibt Jörg Brügger mit viel Herzblut zum Besten, wie er mit nur einem Angestellten und seiner Frau Marlène jährlich von September bis März, wenn es kalt bleibt auch mal bis April, 40 Tonnen Fleisch veredelt!
Seit vier Generationen setzen die Brüggers auf die traditionelle Haltbarmachung von Fleisch – nämlich mit Salz, Pfeffer, Lorbeer und vier geheimen Bio-Gewürzen. Dabei sind sie allerdings auf die kalten Wintermonate angewiesen.
So kommt Brügger ohne Klimaanlage und ohne Nahrungsmittelzusatzstoffe aus, denn die Luftfeuchtigkeit regelt er durch öffnen und schliessen der Fenster. Dafür kann er nicht ganzjährig produzieren, da die Luft im Sommer zu feucht ist.
Je nach Wetterlage mit Föhn oder Bise oder Einsatz der nahegelegenen Schneekanonen oder Wasserstand des angrenzenden Baches werden die Fenster anders geöffnet und geschlossen.
In einem sehr arbeitsaufwändigen Prozess werden die Fleischstücke jedes einzeln in der Naturlufttrocknerei 60 bis 70 Mal in die Hand genommen: Salzen, würzen (pökeln), aufhängen auf dem Balkon, in die Presse einspannen, aufhängen im Dachgiebel, wieder pressen, vakuumieren, verkaufen oder verschicken und so.
Im Erdgeschoss des stattlichen Bauernhauses finden Touristen im «Lädali» viele Spezialitäten rund ums Bündnerfleisch sowie Weine aus der Bündner Herrschaft, Bio-Alpenkräutertee, Käse, Wildspezialitäten, Salsiz, diverse Chutneys oder Feigensenf.
Gruppen führt Brügger höchstpersönlich durch den Betrieb und erklärt anhand eines Bündner Plättlis die vier verschiedenen Sorten Bündnerfleisch und Speck: Unterspälte (Unterschale), runder Mocken (Fisch, Schlüsselriemen), Eckstück (Oberschale) und Vorschlag (runde und flache Nuss).
Ich hatte noch nie so feinen Speck! Und der Bündner Rohschinken von der Sau zergeht mir auf der Zunge. Wunderbar!
Die Parkplätze befinden sich direkt an der Strasse vor dem Haus. Es gibt also keine Ausrede, dem Bündnerfleisch-Shop nicht einen Besuch abzustatten. Als guter Energielieferant ist es auch in den Skihütten sehr beliebt.
Wer später nicht genug bekommen kann von den leckeren Spezialitäten, findet sie in gehobenen Hotels und Restaurants in der Lenzerheide. Beispielsweise im Maiensässhotel Guarda Val. Dort gibts zum Bündner Plättli auch noch die grandiose Aussicht dazu!
Und Brügger geht trotz seines traditionellen Handwerks natürlich mit der Zeit: Wer auch zu Hause nicht auf sein Premium-Bündnerfleisch verzichten kann, hält sich an den Online-Shop!
Aber er ist der letzte seiner Art: Niemand sonst verarbeitet Bündnerfleisch in dieser Qualität von Hand. Es lohnt sich also, wenn man noch den ursprünglichen, natürlichen Geschmack kosten will!
Adresse:
Brügger Parpan, Naturlufttrocknerei
Hauptstrasse 6
7076 Parpan
Homepage: bruegger-parpan.ch
Einen ausgezeichneten Artikel über Jörg Brügger und seine Trocknungsmethodik hat der Journalist und Blogger Peter von Stamm auf seinem Blog publiziert.
2 Kommentare
Ich liebe alle handwerkliche Erzeugnisse, darum die Fotos haben ein Mund voll Speichel verursacht
Ja, mir haben es besonders der Bündner Rohschinken und der Speck angetan. Speck kann ja auch mal etwas zäh sein. Hier ist er von der Konsistenz ähnlich wie Rohschinken…