Hätte ich mir je erträumt, dass ich bei einem Sternekoch in der Küche stehen und in die Töpfe gucken darf? Nein, niemals! Ich war immer der Überzeugung, die Küche sei tabu. Da wird nach strengen Regeln gearbeitet, hirarchisch organisiert, da hat ein Laie nichts zu suchen.
Update Dezember 2017: Markus Neff ist nur noch bis 2. April 2018 im Fletschhorn. Danach legt der Sternekoch eine Kreativpause ein!
Die Gourmet-Küche von Markus Neff
Dass mir und anderen Food- und Reisebloggern ein hoch dekorierter Koch eines Tages so herzlich die Türe zu seinem Reich öffnen würde, hätte ich wahrlich nicht erwartet.
Markus Neff ist schon über 30 Jahre im Waldhotel Fletschhorn. Er hat bei Irma Dütsch gelernt und bereits 1998 die Küche übernommen. Den ersten Michelin Stern erkochte er sich 2003. 2007 wurde er mit 18 Punkten Gault Millau ausgezeichnet und zum Koch des Jahres gekürt.
Zur Einstimmung sassen wir bis zum Eindunkeln bei einem genüsslich entspannten Apéro auf der Terrasse. Eingekuschelt ins Bärenfell hätten wir es bestimmt noch etwas länger ausgehalten. Aber das Dinner mit auserlesener Weinbegleitung wartete auf uns und zog sich bis weit nach Mitternacht.
Wir schlemmten:
Dass der Käseteller der Intensität steigend im Uhrzeigersinn auf dem Teller angerichtet wird, war mir – zur Erheiterung meiner Tischgesellschaft – neu. Selbstverständlich leuchtet es mir ein. Ein milder Käse würde vollkommen vom vorangehenden Reiferen übertönt, würde man sich quer durch die Käsevielfalt essen.
Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass meine Notizen bezüglich den Weinen nach dem zweiten Gang ersterben. Damit war ich einfach nur überfordert. Was ich jedoch gerade noch so einfangen konnte, waren die Flaschen-Etiketten ;-)
Ein durch und durch gelungener Abend. Mein Weg ins Bett war kurz. Chef Markus Neff schwang sich für seinen Heimweg durch den Wald noch auf das Fahrrad. Da war ich bereits auf der Suche nach dem Sternenhimmel und träumte von Wald und Wiesen um’s Waldhotel, wie ich bereits hier berichtete.
Tags darauf, nach einem ausgiebigen Frühstück — mit frisch gebackenem Brot, hausgemachter Konfitüre, erlesenem Käse, einem herrlich muntermachenden Kaffee — und einem kurzen frühmorgendlichen Spaziergang in der frischen Bergluft, durften wir in die Küche. Das fühlte sich an wie Weihnachten und Geburtstag! In der Küche herrschte emsiges Treiben, auf dem Herd standen bereits simmernde Töpfe und kochend heisses Wasser. Die Küchenbrigade schnippelte Gemüse, flocht gekonnt Brotteig, setzte da ein Fond an und köchelte dort einen Sud. Ein wahrlich fein orchestriertes Team war da an der Arbeit!
Kochkurs bei Markus Neff
Der Chef der Waldhotel Fletschhornküche brachte aus dem Kühlraum eine Kiste frischer bretonischer, blauer Hummer und wunderschöne, bulgarische Steinpilze. Schwungvoll stellte er diese Delikatessen auf die Arbeitsfläche vor die gwundrige Blogger-Gruppe. Und dann begann das Kameraklicken, das Notizenschreiben, das Beobachten der Fingerfertigkeit, während der Sternekoch uns jeden einzelnen Handgriff erklärte. Im Nu war der Hummer im Topf, die perfekte Garzeit verraten, die Steinpilze gerüstet, gedünstet und gekonnt in Brickteig verpackt. Im Kochkurs bei Markus Neff nimmt keiner der Teilnehmer ein Messer zur Hand. Neff lässt die Teilnehmer beobachten und verrät Tricks und Fachwissen für zu Hause.
Delikatessen und frischer Fisch liefert Bianchi aus Zürich dreimal die Woche direkt ins Haus. Bestellt werden kann bis am Nachmittag. Der Chauffeur lädt den Camion vor seiner Heimfahrt, steckt den Kühlwagen an den Strom und geht ins Bett. Morgens um 3 Uhr fährt er ins Wallis und um 9 Uhr hat Markus Neff die frische Ware in seiner Küche. Luxus!
Nebenher lief der Mittags-Service. Neff annoncierte auf französisch, was von der Brigade sofort mit «Jawohl Chef!» bestätigt und im Nu auf den Teller gebracht wurde. Alles mit viel Raum für Humor. Ich schlich mich durch die Küche und saugte wie ein trockener Schwamm alle Kniffs und Tricks auf. Immer mit einem Schmunzeln auf den Lippen, während Kameras ununterbrochen klickten, untermalt von staunendem Raunen und sachkundigen Fragen an den Profi. Die Zeit verflog wie im Flug.
Kurz nach Mittag, bevor wir uns zum Rundgang durch Saas Fee aufmachten, wurde uns wie von Zauberhand auf der Terrasse ein grosser Tisch gerichtet und ein kleiner leichter Salat mit Crevetten, Lachs und Pulpo auf den Tisch gezaubert. Dazu servierten uns die Köche mit verschmitzem Lächeln die Moussline, die wir kurz zuvor bei der Entstehung beobachten durften. Sie wäre eigentlich für den Abend gedacht gewesen. Unsere «ahh», «ohh» und «mmmhh» haben sie dazu verleitet, uns damit bereits am Mittag zu verwöhnen. Es sei ihnen von Herzen verdankt!
Nachmittags schnupperten wir nochmals in der Küche. Wir beobachteten die Vorbereitung der Poularde in der Salzkruste, staunten über die Fingerfertigkeit bei der Herstellung der Wachteleier-Raviolis und auch das Probieren kam nicht zu kurz.
Berauscht von so viel Kulinarik genossen wir abends das Menu, deren Zubereitung wir miterleben durften. Dass am Nebentisch Irma Dütsch dinierte, nahmen wir an unserem Tisch erst im späteren Verlauf des Abends wahr. Ganz wie man es von uns Schweizern schätzt, hielten wir uns zurück und liessen sie den Abend ebenso geniessen, wie wir es taten.
Zum Thema Wein liess ich mich auch am zweiten Abend vom Genuss leiten…
Neffs feine Küche gibt es übrigens auch in Buchform.
Küche zwischen Berg und Tal – Geschichten und Rezepte aus dem Fletschhorn, Saas-Fee von Paul Imhof, Andri Pol und Martina Meier (2009).
Nachkochen ist eine schöne Idee. Sie lässt bestimmt Erinnerungen aufkommen. Die authentische Küche des Waldhotel Fletschhorn in 1800m Höhe, mit frischer Bergluft, dem Alpenpanorama und der unverwechselbaren Gastfreundschaft ist ein grossartiges Gourmet-Erlebnis und jede Reise wert. Die treue Stammkundschaft dieses ausgezeichneten Hauses spricht für sich.
Im Keller mit David Gruss
Sommelier David Gruss umsorgte uns mit auserlesenen Weinen aus dem Wallis. Sein gekonnter Umgang mit Gläsern hat etwas Artistisches. Stets umsorgt, dass auch sicher kein Glas leer wird. Und als er uns die Tür zum Allerheiligsten, dem 40’000 Flaschen umfassenden Weinkeller öffnete, herrschte kurz andächtige Stille.
Der Weinkeller ist das Reich von Mitinhaber Charlie Neumüller, der bei unserem Besuch nicht vor Ort war. Sommelier Gruss› Weinauswahl – wir tranken ausschliesslich Weine aus dem Wallis — war sensationell. Er kennt jede einzelne Flasche, jeden Winzer und diesen Keller wie seine Hosentasche. Für die Degustation liess er uns erlesene Tropfen probieren. Die herrliche Steigerung der Intensität bis zur vollmundigen Süsse, die wir jedoch erst zum Schoko-Küchlein beim Dessert kosten durften, war ein fulminantes Erlebnis. Die Leidenschaft für den Wein und die sachkundigen Hintergrundinformationen haben mich begeistert. Ein Mann, der einen Weinkeller dieser Grösse in- und auswenig kennt und sich dann aber nicht merken kann, welcher Gast Wasser mit, beziehungsweise ohne Kohlensäure trinkt, amüsierte uns alle sehr.
David Gruss gehört zur Crew des Bergrestaurant Spielboden*, das zum Waldhotel Fletschhorn gehört. Zur Zeit umsorgt der Sommelier die Gäste im Fletschhorn.
Die Frohnatur — ich las, er war Schreiner und Skispringer — steckt mit seiner Lebensenergie an und verströmt gute Laune. Die Begeisterung und sein herzlicher Wortwitz bleiben mir unvergesslich. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Winter im Bergrestaurant Spielboden die Feste gefeiert werden, wie sie fallen. Da ist einem abends bestimmt nicht vom Wein, eher vom Schalk und der guten Stimmung regelrecht trümmlig!
* Das Bergrestaurant Spielboden mit seiner Wahnsinnssaussicht bietet seit 2016 eine niegelnagelneue Spielbodenbahn.
Weinliebhabern und Kennern sei verraten, dass es auf der Website des Waldhotels Fletschhorn einen Onlineshop gibt…
Mehr Stimmungsbilder aus der Küche, dem Keller, vom Hotel, den Bergen, dem Wald, den Wiesen und Saas Fee, gibt es in diesem Flickr-Album.
Mein Dank geht an Maren Müller, Markus Neff, David Gruss und die ganze Belegschaft des Waldhotel Fletschhorn. Danke für die grosszügige und warmherzige Gastfreundschaft! Den Jungs aus der Küche gilt ein besonderes Augenzwinkern; danke für eure gelassene und humorvolle Art, mit meiner Neugierde umzugehen ;-)
Nicht vergessen möchte ich meinen Dank an Morris Feierabend und Patrizia Iseli von BlueGlass für die Organisation dieser Bloggerreise!
2 Kommentare
Walter. Danke. Jetzt bin ich aber erleichtert.
Das mit den Käsebuffets schau ich mir ab sofort genauer an, denn ich kenn deren System ebenso wenig. Aber bei Gschwellti und Chäs, ess ich weiterhin quer durch alle Geschmacksrichtungen.
Oha! Die Sache mit dem Käse und dem Uhrzeigersinn ist für mich auch neu! Dann sind also Käsebuffets auch nach Intensität organisiert, damit man sich selber den Teller korrekt zusammenstellt?